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Privatissimum unter Palmen
Antje Orgassa (2. v. l.) mit Kursteilnehmer John und Schulleiterin Semiha Urhan (Mitte) und Töchter (außen) unterwegs in Izmir
In der Sprachschule in Izmir kommen Interessierte aus der ganzen Welt zusammen
Autor: Matthias Wühle Datum: 21. Juli 2011
Bir kuzu şiş ve bir bira istiyorum: Antje Orgassa beim praktischen Sprachtraining in einem Restaurant in Izmir
Wer seinem Urlaubsflirt an der Strandbar von Antalya oder Arbeitskollegen im Döner-Imbiß von Berlin imponieren möchte, bestellt seinen Lammspieß am besten gleich auf türkisch. Wer dann noch auf die Frage „Sarımsaklı mı?“ mit „Evet!“ antworten kann, zieht schon mal die komplette Aufmerksamkeit auf sich: Da kann jemand wirklich türkisch!
An der Bar Eindruck zu schinden oder im Döner-Imbiß zururechtzukommen, sind jedoch bei den wenigsten Teilnehmern des Turkish Language Centers (TLC) die hauptsächlichen Beweggründe, türkisch zu kernen. In die handverlesenen Exklusivklassen der jungen Lehrerin Sibel Demiroglu (28) und ihrer Kolleginnen und Kollegen kommen Interessierte, wie etwa der Aachener Philosoph und Verleger Siegfried Reusch (48), der nach eigenem Bekunden auf der Webseite des TLC „…vermittels der Sprache auch das Leben einer türkischen Familie kennenlernen wollte“. Denn nicht anders als mit einem Sprachaufenthalt, so Reusch weiter, könne man tiefe Einblicke in das alltägliche Leben, das türkische Bildungssystem und die türkische Politik erhalten
Andere TLC-Absolventen, wie die Lehrerin Barbara Purth (48) aus Wien, interessierten sich mehr für die in der Türkei beliebten Fernsehserien „Ask ve Ceza“ (Liebe und Bestrafung) oder „Öyle bir gecer zaman“ („Die Zeit vergeht zu schnell“). Nachdem sie vier Wochen lang zusammen mit ihrer Gastgeberin Ayşe S. (66) jede Folge geschaut, Dialoge gelernt und sich mit ihr über die Charaktere ausgetauscht hat, versuchte sie wieder zu Hause in Wien keine Folge mehr zu verpassen, und verfolgte die Serien weiter auf ihrem Laptop.
Ehrgeizige Ziele hat auch Sprachwissenschaftlerin Antje Orgassa (34) aus Nijmegen. Sie möchte irgendwann Sprachlevel B1 gemäß europäischem Referenzrahmen erreichen und fand als Anfängerin ohne Vorkenntnisse in den Kleingruppen die perfekten Voraussetzungen: Sie teilte sich die Aufmerksamkeit der Lehrerin mit nur drei weiteren Kommilitonen; in der ersten Woche waren es gar nur zwei. Von einem „Privatissimum erster Klasse“ sprach daher auch Barbara Purth.
Das Konzept aus privater Unterbringung in Gastfamilien, professionellem Lehrpersonal, kurzen Wegen zu den Schulungsräumen und der betont lockere Umgang vor Ort lockte seit dem ersten Kurs im Jahr 2009 schon zahlreiche Türkisch-Interessierte aus der ganzen Welt nach Izmir.
Über das Internet haben sich bereits Teilnehmer aus den USA, Kanada, Syrien und ganz Europa angemeldet. Die Atmosphäre ist daher international, die Unterrichstssprache englisch. „Bei rein deutschen Klassen ist aber auch deutsch als Unterrichssprache möglich“, erläutert die Schulleiterin und in Deutschland aufgewachsene Betriebswirtin Semiha Urhan (47). Für die Beratung und Reservierung der Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ist der in Frankfurt lebende Mehmet Naci Sentürk (42) und seiner Frau Claudia verantwortlich.
An deutsche Interessenten hat die Schulleiterin noch einen speziellen Tipp:
„Die Sprachkurse des TLC sind als Bildungsurlaub in Hamburg, Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen, Berlin und Rheinland-Pfalz anerkannt.“ So kann man sich seinen Jahresurlaub aufsparen, um später in Antalya oder Izmir an der Strandbar seine Kenntnisse praktisch anzuwenden.